Herbert Grönemeyer

– gehalten beim Konzert "offen und bunt" vor der Frauenkirche Dresden, 26. Januar 2015 –
 
Es ist erschreckend, was sich im Moment auf den Straßen und in den Köpfen abspielt. Es ist eine klamme, sehr hysterische Atmosphäre.
Dass Menschen sich in Deutschland übergangen und politisch nicht mehr  wahrgenommen fühlen, kann ich gut nachvollziehen. Dass sie sich als nur noch ausgeschlossen, verwaltet und abgestellt fühlen, auch.
Dass sie sich Gehör verschaffen und in ihren berechtigten Ängsten und Forderungen ernst genommen werden wollen, ist demokratisch, für eine öffentliche Debatte in der Gesellschaft fruchtbar und hilfreich. Dass eine Auseinandersetzung dadurch angeregt wird über einen stark von der Bevölkerung abgehobenen Politik- und Politikerstil ebenso. Wenn aber wieder einmal eine religiöse Gruppe für vielschichtigste, teilweise diffuse Befürchtungen als Sündenbock, Projektion und Zielscheibe ausgemacht wird, ist das eine Katastrophe.

Es ist absurd, gemein, zutiefst undemokratisch und Unrecht und geht gar nicht! Es kann nicht gewollt sein, damit dem dumpfen Stammtischgeist und Zorn mitverantwortlich Tür und Tor zu öffnen. Wir müssen fein-nervigst aufpassen. Auf der reaktionären Seite verbietet sich jedes Zündeln.

Dort waren wir schon mal und dort wollen wir nicht mehr hin. Wir müssen uns als Gemeinschaft gegenseitig vor uns selber warnen, Schranken einbauen und vor uns schützen und als sehr junges Land gehört das zum Erwachsenwerden und zur demokratischen Pflicht dazu.
Es geht um die Politik, das Zusammenleben, nicht um die Religion. Religion ist Intimsphäre und Privatsache.
Was uns alle verbindet, ist die Angst vor jedem politischen wie religiösen Extremismus.

Vor 70 Jahren haben die Alliierten Deutschland aufgeteilt, auch um den rechten Geist von Abermillionen Deutschen zu brechen und nicht wieder aufkommen zu lassen. Wenn jetzt 25 Jahre nach der Wiedervereinigung diese schnell verrohende Stimmung erneut wieder aufflammt, wäre und
ist das erschreckend, falsch und furchtbar.

Ich weiß, dass Pegida in ihrem Grundsatzpapier sich von jeder extremistischen Idee distanziert, das habe ich gelesen. Wir müssen alle zusammen Anstrengungen unternehmen, dass Menschen mit ihren gut gemeinten Anliegen hinten rum nicht für zynische politische Absichten missbraucht werden und sich missbrauchen lassen.
Deshalb sind wir hier.

4 Millionen Menschen islamischen Glaubens haben in Deutschland in den letzten 50 Jahren genauso zum Wirtschaftswunder beigetragen wie Protestanten, Juden, Katholiken, Buddhisten, Hindus und viele andere Religionen mehr. Und sie haben den Solidaritätszuschlag bezahlt als ihren Einsatz und Beweis ihrer Zuneigung für das wiedervereinigte Land.
Es ist die Vielfalt die Deutschland ausmacht, stärkt und die es eint. Und wir brauchen sie, sie ist unsere Zukunftsgarantie. Bestes Beispiel ist unsere Fußballnationalmannschaft.

Wir sind uns auch alle einig, dass wir ein Einwanderungsland sind und dass Flüchtlingen, Menschen, deren Leben bedroht sind von Verfolgung, Folter, Hunger, Krieg und Tod, hier bei uns Schutz geboten wird, sich um sie gekümmert wird, und dass sie gegen jede Art von tumber, hohler Anfeindung verteidigt werden.
Jedes Gestammel von Überfremdung ist kalte verbale Brandstiftung und ignorante Verblendung. Die Welt ist geöffnet und jeder hat Zugang, nicht nur wir.
Der, dem die Nächstenliebe fremd ist, der sollte auch kein Verständnis für sich selber einfordern. Man könnte vielleicht den Namen Pegida in „Demokratischer Aufbruch am Montag gegen Rechts“ umbenennen. Das wäre präziser und unmissverständlicher. Man würde besser gehört, ernster genommen und grenzt sich eindeutig von jedwedem Geist von rechtsaußen ab und man gibt Dresden seinen Stolz und seine Würde zurück.

Es soll demonstriert, viel gemeinsam geredet, endlich zugehört und gefordert werden, dabei müssen wir aber auf allen Seiten auf leichtfertige, fahrlässige Stimmungsbrandstiftung aufpassen.

Dass endlich ein Dialog stattfindet, ist sehr gut. Dies ist unser aller Land, wir sind alle für dieses verantwortlich und wir wollen gemeinsam, welcher Meinung, Wahrheit und Religion auch immer, dafür einstehen, dass es für jeden lebens- und liebenswert ist, egal welcher Herkunft und dass jeder die gleichen Grundrechte genießt.

Alle für jeden, das ist Deutschland! Und das bleibt so!

Danke fürs Zuhören!